Ein Leitfaden für Qualitätsfachleute, Ingenieure und Techniker

Prozessmanagement

1.  Einführung in das Prozessmanagement

In der heutigen schnelllebigen und wettbewerbsintensiven Geschäftswelt müssen Unternehmen jeder Größe und Branche ständig danach streben, ihre betriebliche Effizienz und Effektivität zu verbessern. Eine Schlüsselstrategie zur Erreichung dieses Ziels ist das Prozessmanagement, das die Gestaltung, Umsetzung und kontinuierliche Verbesserung der Prozesse einer Organisation umfasst, um ihre strategischen Ziele zu erreichen.

Warum ist Prozessmanagement wichtig für Unternehmen?

Prozessmanagement ermöglicht es Unternehmen, ihre Geschäftsabläufe zu verstehen, zu analysieren und zu verbessern. Es hilft dabei, Engpässe zu identifizieren, Verschwendung zu reduzieren und die Qualität zu steigern. In einer Zeit, in der sich Märkte und Technologien rasant verändern, ist Prozessmanagement ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit und den langfristigen Erfolg eines Unternehmens.

Business Process Management – Definition und Konzept

Business Process Management (BPM) ist ein systematischer und ganzheitlicher Ansatz zur Gestaltung, Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Es umfasst die Identifizierung, Modellierung, Analyse, Verbesserung und Überwachung von Prozessen, um die Effizienz und Effektivität einer Organisation zu steigern. BPM zielt darauf ab, die Gesamtheit der Geschäftsprozesse end-to-end zu betrachten und kontinuierlich zu verbessern, um langfristigen Erfolg zu gewährleisten. BPM ist nicht nur eine Methode, sondern auch eine Denkweise, die das Unternehmen durchdringt.

Rollen im Prozessmanagement

Erfolgreiches Prozessmanagement erfordert eine klare Definition von Rollen und Verantwortlichkeiten. Dazu gehören

  • Prozessmanager, die für die gesamte Prozesslandschaft verantwortlich zeichnen und die die Umsetzung von Prozessverbesserungen koordinieren
  • Prozessverantwortliche, die für die Überwachung und Steuerung der Prozesse verantwortlich sind
  • Prozessmodellierer, die die syntaktische („Ist das Modell formal korrekt beschrieben?“) und semantische Richtigkeit („Gibt das Modell tatsächlich die Realität wieder?“) des modellierten Prozesses sicherstellen sowie
  • Prozessanalytiker, die die Prozesse analysieren und entsprechende Verbesserungspotentiale identifizieren.

Das Einbinden der Mitarbeitenden ist für ein erfolgreiches Prozessmanagement von entscheidender Bedeutung, da sie wertvolles Wissen und Erfahrung einbringen.

2. Prozessmanagement als Phasenmodell

Der Lebenszyklus des Prozessmanagements besteht aus mehreren Phasen, darunter:

  • Prozessmodellierung und Messen der Prozessleistung
  • Prozessanalyse
  • Prozessmodellierung des Soll- bzw. Zielzustands
  • Prozesstransformation
  • Prozessevaluierungs- und Standardisierungsphase

Jede Phase baut dabei auf der vorhergehenden auf und gewährleistet eine kontinuierliche Verbesserung der Prozesse einer Organisation.

Prozessmodellierung und Messen der Prozessleistung

Die Prozessmodellierung ist ein zentraler Bestandteil des Prozessmanagements. Sie ermöglicht es, komplexe Abläufe in verständlicher Form darzustellen und zu analysieren. Die Modellierung und Visualisierung des Ist-Zustands eines Geschäftsprozesses auf Detailebene ist deshalb der erste Schritt im Prozessmanagement. Dies umfasst das Erstellen eines klaren und detaillierten Modells des aktuellen Prozesses. Methoden, die hierfür genutzt werden, sind z.B.

  • Prozessflussdiagramm
  • Swimlane Diagramm
  • Wertstromdiagramm oder
  • Makigami Diagramm.

Zur Modellierung werden spezielle Modellierungssprachen wie BPMN (Business Process Model and Notation) verwendet.

Die Auswahl geeigneter Kenngrößen zur Charakterisierung der momentanen Prozessleistung ist ein weiterer wichtiger Schritt in dieser Phase. Diese Kenngrößen sollen die Effizienz, Qualität und Kosten des aktuellen Prozesses abbilden und eine objektive Bewertung ermöglichen.

Prozessanalyse

Die Prozessanalyse umfasst die Identifikation und Analyse der wertschöpfenden, wertunterstützenden und nicht wertschöpfenden Prozessschritte. Auffallend hohe Leerlauf- und Wartezeiten werden ebenso hervorgehoben wie Prozessschritte, die einen hohen nicht-wertschöpfenden Anteil haben oder einen Engpass darstellen. Ziel der Prozessanalyse ist es, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und zu priorisieren.

Um die Grundursache(n) für die ermittelten Leistungslücken zu identifizieren, stehen verschiedene Analysemethoden zur Verfügung, z.B.

  • Ursache-Wirkungs-Analyse
  • Fehlerbaumanalyse
  • Wertstromanalyse
  • Kepner-Tregoe-Methode
  • Fehlermode und Effekt-Analyse (FMEA)

Ein Unternehmen könnte zum Beispiel seinen Order-to-Cash-Prozess analysieren, indem es eine Ursache-Wirkungs-Analyse mit einer Wertstromanalyse kombiniert, um die Durchlaufzeiten zu verkürzen und die Kundenzufriedenheit zu verbessern.

Prozessmodellierung des Sollzustands (Prozess-Redesign)

Nachdem die Schwachstellen in den Prozessen und ihre jeweiligen Grundursachen identifiziert und verifiziert wurden, wird der Soll- bzw. Zielzustand definiert. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Prozessanalyse werden mögliche Lösungen zur Erreichung des Zielzustands ermittelt, bewertet und ausgewählt.

Wichtige Leitfragen in diesem Zusammenhang sind z.B.:

  • Wie lässt sich der Leistungsprozess reibungs-, verzögerungs- und störungsfrei gestalten?
  • Wie lässt sich der Prozess bedarfsgesteuert gestalten, so dass Personal, Materialien und Informationen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort in der richtigen Menge zur Verfügung stehen?
  • Welche Prozessschritte, Schnittstellen oder Dokumente können entfallen oder vereinfacht werden?
  • Wo können Prozessschritte parallel bearbeitet werden?
  • Wie lässt sich die Informationsübergabe durch Standardisierung vereinfachen bzw. sicherstellen?

Anschließend wird ein detaillierter Entwurf für den verbesserten Prozess erstellt. Dieser Entwurf wird in der Regel in einem Pilotprojekt getestet, bevor er im gesamten Unternehmen eingeführt wird.

Prozesstransformation

Die Prozesstransformation umfasst die Umsetzung der geplanten Verbesserungen in die Praxis. Dazu gehört die Einführung neuer Technologien, die Definition von Leistungsindikatoren und Kenngrößen, die Schulung und Qualifikation der Mitarbeitenden sowie die Anpassung der Organisationsstruktur. Die Prozesstransformation ist ein komplexer Prozess, der sorgfältig geplant und gesteuert werden muss, um den verbesserten Prozess als neuen Standard in der gesamten Organisation einzuführen.

Prozessevaluierungs- und Standardisierungsphase

Nach der Einführung des verbesserten Prozesses wird dessen Leistung kontinuierlich überwacht und bewertet. Mittels Prozessdokumentation und -reporting werden die definierten Kennzahlen regelmäßig erhoben und analysiert. Eventuell ist eine Verfeinerung des Steuerungs- und Kennzahlensystems in dieser Phase nötig.

Ziel ist es, sicherzustellen, dass der Prozess die gewünschten Ergebnisse (z.B. Stabilität und Fähigkeit) nachhaltig und langfristig zeigt.

3.  Herausforderungen im Prozessmanagement

Einführung und Umsetzung von Prozessmanagement sind nicht ohne Herausforderungen. Dazu gehören:

  • Widerstand gegen Veränderungen: Mitarbeitende können Veränderungen skeptisch gegenüberstehen, insbesondere wenn sie ihre Arbeitsplätze bedroht sehen.
  • Mangelnde Ressourcen: Prozessmanagement erfordert Zeit, Geld und qualifiziertes Personal.
  • Komplexität der Prozesse: In großen Unternehmen können die Prozesse sehr komplex sein, was sowohl die Analyse wie die Optimierung erschwert.

Um diese Herausforderungen zu meistern, sollten Unternehmen folgende Strategien verfolgen:

  • Kommunikation und Beteiligung: Alle relevanten Stakeholder sollten frühzeitig über die Ziele und Vorteile des Prozessmanagements informiert und in den Prozess eingebunden werden.
  • Schulung und Qualifizierung: Die Mitarbeitenden sollten in den Methoden und Werkzeugen des Prozessmanagements gut geschult und entsprechend qualifiziert werden.
  • Schrittweise Einführung: Prozessmanagement sollte schrittweise eingeführt werden, um die Mitarbeitenden nicht zu überfordern.

4.  Fallstudien: Erfolgreiches Prozessmanagement in der Praxis

Zahlreiche Unternehmen haben erfolgreich Prozessmanagement-Strategien implementiert und dabei erhebliche Verbesserungen in Bezug auf Effizienz, Produktivität und Kundenzufriedenheit erzielt.  Beispiele hierfür sind:

  • Ein weltweit tätiger Hersteller von Industrieanlagen reduzierte seine Produktionsdurchlaufzeit mittels Prozessneugestaltung und Implementierung von Lean Manufacturing Prinzipien um 30%.
  • Ein mittelständisches Unternehmen aus der Automobilindustrie musste als Zulieferer aufgrund des Themas Elektromobilität seine Prozesslandschaft neugestalten. Durch die Einführung eines umfassenden Prozessmanagements konnten die Produktionskosten um 15% und die Durchlaufzeit um 20% gesenkt werden.
  • Ein weiteres Beispiel ist ein Logistik-Unternehmen, das durch die Optimierung seiner Prozesse seine Lieferzeiten um 25% reduzieren und die Kundenzufriedenheit deutlich erhöhen konnte.

5. Ausblick

Die Zukunft des Prozessmanagements wird von neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz (KI) und Automatisierung geprägt sein. KI kann beispielsweise dazu eingesetzt werden, Prozesse zu analysieren, Muster zu erkennen und Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen zu treffen. Automatisierung kann repetitive Aufgaben übernehmen und so die Effizienz steigern.

Ein weiterer Trend ist das Green Business Process Management (9R Strategy, Circular Economy Initiative, Lean Green), das darauf abzielt, Prozesse umweltfreundlich und nachhaltig zu gestalten. 

6.  Fazit

Prozessmanagement ist für Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern, Kosten senken und die Kundenzufriedenheit erhöhen wollen, von entscheidender Bedeutung. Unternehmen, die die Bedeutung des Prozessmanagements verstehen, dabei dem beschriebenen Phasenmodell folgen und die damit verbundenen Herausforderungen meistern, können erhebliche Vorteile erzielen, um in der heutigen schnelllebigen Geschäftswelt erfolgreich zu sein.

7.  Interesse geweckt?

Unser Unternehmen bietet umfassende Seminare zum Thema Prozessmanagement an, die speziell auf die Bedürfnisse von Qualitätsfachleuten, Ingenieuren und Technikern zugeschnitten sind. In unseren Seminaren lernen Sie die Grundlagen des Prozessmanagements kennen, Sie erfahren, wie Sie Prozesse analysieren und optimieren können und Sie erhalten praktische Tipps für die Umsetzung in Ihrem Unternehmen.

Unser Kursangebot zum Thema finden Sie hier:

Prozessmanagement für Neu- und Quereinsteiger

Business Process Management

Green Value Stream Mapping

Makigami

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8.  Literatur

  • „Geschäftsprozessmanagement“ von Paul Harmon (2019)
  • „Process Management: A Practical Guide“ von John Long (2018)
  • „Mastering Business Process Management“ von Nathaniel Palmer (2017)
  • „Business Process Re-engineering: A Framework for Improving Efficiency and Effectiveness“ von Vinay Kulkarni (2016)
  • „Prozessmodellierung und -analyse“ von August-Wilhelm Scheer (2015)