Das heutige Marktumfeld erfordert es, die Entwicklung innovativer, technologisch anspruchsvoller und kundengerechter Produkte und Services termingerecht, in kurzer Zeitspanne und mit hoher Qualität durchzuführen. Eigenschaften wie Kreativität, Geschwindigkeit und Flexibilität bestimmen deshalb in hohem Maße den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Dies erfordert im Rahmen der Produktentwicklung ein funktionsübergreifendes, teamorientiertes Arbeiten, eine hohe Transparenz bzgl. dem Arbeitsstand, eine schnelle Anpassung an neue Erfordernisse, getaktete Prozesse sowie eine nachhaltige Fehler- und Feedbackkultur im Unternehmen.
Um diesen Ansprüchen zu genügen, setzen immer mehr Unternehmen auf Lean Development. Sie übersetzen mit Erfolg den Lean Management Ansatz mit den fünf Leitprinzipien in eine „schlanke Entwicklung“ mit signifikanten Wettbewerbsvorteilen für das jeweilige Unternehmen.1)
Kennzeichnend für den Lean Management Ansatz sind die fünf Leitprinzipien Wert, Wertstrom, Flow, Pull und Perfektion,2) die im Folgenden kurz erläutert werden.
Im Mittelpunkt aller Unternehmensprozesse und der damit verbundenen Aktivitäten steht der Kunde mit seinen individuellen Bedürfnissen und Anforderungen. Diese definieren den Wert eines Produkts oder einer Dienstleistung aus Kundensicht. Der Wertstrom (Material- und Informationsstrom) umfasst alle wertschöpfenden und nicht-wertschöpfenden Aktivitäten innerhalb eines Prozesses, die dazu verwendet werden, um ein Produkt beziehungsweise eine Dienstleistung zu entwickeln, herzustellen oder zu vermarkten. Die Visualisierung des Wertstroms ist dabei der erste Schritt, um nicht-wertschöpfende Aktivitäten oder Einschränkungen im Prozess, wie z.B. Engpässe, übermäßige Bestände oder Verzögerungen, zu identifizieren. Mit Hilfe des Flussprinzips (Flow) soll der gesamte Wertstrom zum Fließen gebracht und auf die Bedürfnisse des Kunden ausgerichtet werden. Schließlich wird der Kunde zum Schrittmacher oder Taktgeber (Pull). Eine bedarfsgesteuerte Gestaltung der Leistungsprozesse ist das Resultat. Perfektion schließlich hat zum Ziel, eine Kultur der ständigen Verbesserung im Unternehmen zu etablieren.
Ähnlich wie im Fall der Produktion lassen sich auch im Fall der Produktentwicklung zahlreiche Arten von Verschwendung und nicht-wertschöpfender Aktivitäten identifizieren. Beispiele von Verschwendung aus dem Bereich der Produktentwicklung sind:
- Es werden aus Kundensicht unnötige Features entwickelt.
- Aufgrund unzureichender Kommunikation und Absprache kommt es zu redundanter Arbeit und Zeitverlust.
- Halberledigte Aufgaben behindern den Fortschritt.
- Emails ohne Struktur und klare Ansprache sorgen für Verwirrung und Nachfragen.
- Fehlerhafte, nicht-konsistente Messdaten führen zu falschen Schlussfolgerungen.
Allerdings heißt dies nun nicht, den aktuellen Produkt-Entwicklungsprozess als vollständig planbaren, stromlinienförmigen Geschäftsprozess zu gestalten, mit der Absicht auf Basis detaillierter und umfassender Spezifikationen streng vorhersagbare Ergebnisse zu erzielen. Vielmehr sollte der Entwicklungsprozess so gestaltet sein, dass folgende Aspekte gegeben sind, um eine „schlanke Entwicklung“ zu unterstützen:
- ein iteratives-inkrementelles Arbeiten in kurzen Zyklen
- ein kollaboratives Arbeiten in selbstorganisierten Teams
- ein täglicher, persönlicher Austausch zwischen den Teammitgliedern
- Inhalt und Stand der Arbeitsinhalte werden visualisiert
- Änderungen in den Anforderungen sind willkommen
- Funktionalitäten können eingeschränkt werden, falls der Markteintritt gefährdet ist
- der Kunde ist ein Teil des Entwicklungsprozesses und bewertet Zwischenergebnisse
Die Vorteile sind: Eine nachhaltige Reduktion der Entwicklungszeiten, kürzere Reaktionszeiten, eine verbesserte Termintreue, eine effizientere Kommunikation zwischen den Beteiligten sowie eine höhere Kunden- und Mitarbeitendenzufriedenheit. Ultimativ reduziert man so auch die Fehlerrate im gesamten Geschäftsprozess, denn die Wahrscheinlichkeit, ein falsches Produkt zu entwickeln, sinkt deutlich.
Anders als bei Scrum, das ein agiles Rahmenwerk mit verbindlichen Rollen, Ereignissen, Artefakten und Regeln darstellt, bietet Lean Development dem Unternehmen mehr an individueller Freiheit seinen bisherigen Produkt-Entwicklungsprozess gemäß den fünf Lean-Leitprinzipien zu gestalten bzw. anzupassen, um den aktuellen Herausforderungen des globalen Wettbewerbs zu begegnen.
1) Lean Advantage in Engineering, Markus Lorenz et al., bcg.perspectives, April 07, 2015
2) Lean Thinking, James P. Womack, Daniel T. Jones, 1996, Simon & Schuster, New York